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L.O. Petri, V.T. Petri . Wahre Begebenheiten aus dem Tajmyr-Gebiet

Zeugenaussage der Viktoria Asmus (Roppeldt, geb. 1923)

„Tod ist etwas, das dem anderen passiert“.
(Brodskij)

„Ust-Chantajka 1943. Es herrscht Winter. Eine geologische Expedition aus Leningrad, die zum Überwintern in einer ausgetrockneten Baracke am Ufer des Jenisej untergebracht ist, war dabei, ihre Forschungsarbeiten in unserem Bezirk durchzuführen. Irgendwie begegnete ich in der Siedlung einem mit einem Fotoapparat herumlaufenden Ingenieur aus der Expeditionsgruppe. Ich frage ihn: „Was gibt es hier denn so Interessantes zu fotografieren? Hier sehen Sie doch nur den Tod!“ – Und er antwortet: „Ich habe noch nie gesehen, daß so viele Menschen ohne die geringsten Voraussetzungen zum Überleben von der Staatsmacht einfach so im Stich gelassen worden sind. Ich fotografiere, was ich hier gesehen habe: Hunger, den Mangel an Kleidung, Frost, die Sklavenarbeit hilfloser Frauen, Kinder und alter Menschen, Erdhütten im ewigen Eis, aus Findlingen zusammengebaute Öfen, Tranfunzeln und die völlige Hoffnungslosigkeit in den Augen der Menschen. Warum quält man sie so? Ich glaube, gutes Mädchen, daß die Zeit kommen wird, wo sich Menschen finden, die dieses, an Unschuldigen begangene Verbrechen genau beschreiben werden, und dann können meine Fotos dieses Grauen belegen. Das Tajmyr-Gebiet ist ein reicher Flecken Erde; er hat diese Leiden nicht verdient, die auf ihm begangen werden. Möge euch die glückliche Hoffnung nicht verlassen. Ich wünsche euch alles Gute und Gesundheit, um diese Hölle zu überstehen.“ Das waren die Worte eines guten russischen Mannes. Der Ingenieur verneigte sich und drückte mir die Hand.

Diese Begegnung werde ich nie vergessen – denn sie war so aufrichtig und wohlwollend gemeint, und vor allem war sie ganz von dem Glauben an die Zukunft getragen. Im Frühling fuhr die Expedition in einen anderen Bezirk ab, um dort weiter zu forschen. Es ist sehr schade, daß ich nicht weiß, was aus jenen Fotos geworden ist, nachdem inzwischen mehr als 60 Jahre vergangen sind.

Das Tajmyr-Gebiet verließ ich mit meiner Familie (7 Kinder) im Jahre 1968. Anschließend lebten wir in Mittel-Asien.

Seit 1995 lebe ich in Deutschland“.


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