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L.O. Petri, V.T. Petri . Wahre Begebenheiten aus dem Tajmyr-Gebiet

Einleitung

So, wie es häufig Frontsoldaten machen, wenn sie die Stätten vergangener Schlachten des Krieges 1941-45 besuchen, so haben auch wir 60 Jahre später die Orte aufgesucht, in denen meine und Witjas Jugend begann und verlief; wir sind ihr entgegengeschwommen, um noch einmal die Minuten des glücklichen Jungseins zu fühlen und zu durchleben, den Beginn unserer Freundschaft, unserer Liebe, dort, wo sich in der Erinnerung der menschliche Schmerz um das der Öffentlichkeit bis heute noch nicht vollständig enthüllte Schicksal der in den 1940er Jahren ins Tajmyr-Gebiet verschleppten Sondersiedler festgesetzt hat. Nicht allen ist bekannt, dass im Tajmyr-Gebiet zu Sowjetzeiten nicht nur ortsansässige Nganasanen, Nenzen, Dolganen, Ewenken, Russen, Häftlinge, Teilnehmer verschiedener Expeditionen mit nur vorübergehender Aufenthaltsdauer, eingetroffene Fischer und Jäger lebten, sondern auch das sogenannte Sonderkontingent, das in staatlichen Dokumenten die Bezeichnung „Sondersiedler“ trägt.

Was hatte es mit diesen Sondersiedlern auf sich? In unseren Archivbescheinigungen über die Rehabilitation, die nach 1956 von den MWD-Organen ausgestellt wurden, stehen die Worte „1941 als Angehöriger der deutschen Nationalität ausgewiesen und bis 1956 in Sondersiedlung“, oder „ ... Gründe und Art der Repression: aus politischen Motiven, auf administrativem Wege, als Person deutscher Nationalität; als Sondersiedler registriert...“. Aus den Begriffen des enzyklopädischen Wörterbuchs und der Wortwahl in den Rehabilitationsbescheinigungen des MWD läßt sich folgern, dass die Vorsilbe „Sonder“ bedeutet, dass die betreffende Person aus politischen Motiven und aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit repressiert wurde. Das wird dadurch bekräftigt, dass der Begriff „Sondersiedler“ in den 1940er Jahren nicht nur auf die nach Sibirien und ins Tajmyr-Gebiet verschleppten Rußland-Deutschen ausgedehnt wurde, sondern auch auf verfolgte Kalmücken und andere Völkerschaften. Dazu gehören alle Völker, die nach dem „Willen von Partei und Regierung“ 1942 aus Sibirien in den Norden abtransportiert wurden und sich aus Deutschen aus dem Wolgagebiet, Leningrad und anderen Orten, Letten, Esten, Litauern, Finnen, Russen (aus „Kulaken“-Familien), Juden, Kalmücken und anderen zusammensetzten. Die Nationalität eines Menschen in den Jahren der Repressionen bildeten das Hauptkriterium für die Bewertung seiner Beziehung zur Sowjetmacht. Diese im Tajmyr-Gebiet ausgesetzten Menschen, 11000 an der Zahl, die sich unter der Aufsicht einer Sonderkommandantur des NKWD der UdSSR befanden, sich monatlich einmal am Wohnort melden und registrieren lassen mußten und kein Recht auf Bewegungsfreiheit besaßen, bekamen den Stempel „Sondersiedler“ allein aus Gründen ihrer Nationalität aufgedrückt; die Vorsilbe „Sonder“ deutet ausschließlich auf diesen Tatbestand hin, denn die weiter oben aufgelisteten Völker waren nach Meinung des damals im Lande herrschenden Regimes „feindlich gesinnt“, und das Wort „Sonder“ weist genau darauf hin. Als Augenzeugen jener Zeit müssen wir uns, so lange wir noch leben, beeilen im vorliegenden Buch den tragischen historischen Fakt aufzuzeigen, der vom Staat künstlich fabriziert wurde und in den ersten 2-3 Jahren nach der Ankunft im Tajmyr-Gebiet zum Tode von 70% der dort, im Hohen Norden, ausgesetzten Menschen führte. Wir, lieber Leser, haben uns bemüht, die Aussagen von noch lebenden Zeugen der mehr als 6o Jahre zurückliegenden Vergangenheit zusammenzutragen, Zeugnisse über ihren Kampf ums Überleben in den kleinen Siedlungen, die über 800 km weit verstreut an beiden Ufern der Mündungen von Jenisej und Chatanga liegen. Dieser wertvolle geschichtliche Material, das bis in unsere Zeit heranreicht, wurde von uns erstmalig in Buchform gestaltet, um die „weißen Flecken“ des Tajmyr-Gebiets in Bezug auf die Tragödie, die sich in den Jahren 1942-1944 mit uns vollzog, auszufüllen. Es war ein riesengroßer Klumpen Kummer und Sorgen, der auf den Menschen in den Erdhütten und grabesähnlichen Wohnlöchern an den Ufern von Jenisej und Chatanga im ewigen Eis lastete.

Auf Bitten der Leser und Augenzeugen geben wir vorsorglich ein paar grundlegende Informationen über die Tajmyr-Region. Die Halbinsel „Tajmyr“ ist einerseits ein grausig-grimmiges Gefilde, verfügt aber andererseits auch über großen Reichtum. Mutige Draufgänger kamen hierher wegen „weicher Lumpen“ – Pelzwerk. 1967 tauchte am Nord-Jenisej die Siedlung „Dudinka“ auf – heute Hauptstadt des Tajmyr-Nationalgebiets. Am 9. Mai 1742, vom Meer aus unerreichbar, gelangte der russische Forscher Semjon Tscheljuskin ans Vorgebirge des nördlichsten Punktes der Halbinsel Tajmyr, nach dem das Kap später auch seinen Namen erhielt. Das Kap liegt weit (500 km) hinter dem Polarkreis und wird im Westen vom Jensej, im Norden vom Eismeer und im Osten vom Fluß Chatanga umspült. Das Nationalgebiet Tajmyr beginnt im Süden am Jenisej mit der Siedlung Ust-Chantajka, Bezirk Dudinka. Die Halbinsel verblüfft durch ihre rauhe, wilde Natur. Es ist eine Region grimmigster Kälte, heftiger, eiskalter Winde und langwieriger Schneestürme. Große Polarforscher nannten es nicht zufällig das Land des eisigen Schreckens, der Polarfinsternis und der grimmigen Einöde des fernen Nordens. 100 Jahre später nannte der großartige deutsche Naturforscher des Tajmyrgebiets, A.F. Middendorf, diese nördlichste Halbinsel des Eurasischen Festlands „Tajmyr“, was in der dortigen Ewenken-Sprache „reich, stark“ bedeutet. Forschungen, besonders in den letzten Jahren, haben in der Tat gezeigt, dass der Tajmyr eine wahre Fundgrube an für die Volkswirtschaft wertvollen Mineralien ist. Aber es existiert im Hinblick auf die Bezeichnung der Region auch noch eine andere Variante (S.N. Schownitzkaja, „Das Tajmyrer Haus der Volksunst“, Stadt Dudinka). „In der Sprache der Nganasanen bedeutet der Name der Halbinsel Tajmyr „Land der Rentierspuren“ („Taj mire“), denn der Boden des Tajmyr-Gebiets sieht aus, als ob er mit den Mustern der Rentierpfade nur so geschmückt wäre)“. Und auch anhand der Arbeit von T.W. Ilinaja, „Tajmyrer Lesungen – 2010, Stadt Norilsk“, sind Interpretationen für lokale Bezeichnungen, die auf eine uralte Geschichte zurückblicken, erhalten geblieben und wurden nicht durch „moderne“, zeitgenössische ersetzt: „Norilsk“ (von Njurij) – tiefgelegene, sumpfige Gegend; „Talnach“ – nicht zufrierender, gefährlicher Fluß; „Alykel“ – See mit sumpfigen Ufern; „Putorany“ – Berge ohne Gipfel; „Chatanga“ – viel Wasser; „Olgul“ – Todesblume, usw.; das Wort „Tajmyr“ ließe sich auch mit dem englischen „timer“ – „Zeitmesser“ – übersetzen. Wer ist der Urheber der Bezeichnung „Tajmyr“? Wenn man nach den zahlreichen existierenden Varianten urteilt, läßt sich einstweilen keine einheitliche Antwort finden. Deswegen kann meiner Ansicht nach nur die „Russische Akademie der Wissenschaften“ dazu befugt sein, hierüber eine Entscheidung zu treffen.

Das Territorium des Nationalen Tajmyr-Kreises umfaßt 904.600 Quadratkilometer. Die Jahresdurchschnittstemperatur der Luft in den südlichen Regionen des Tajmyr (Ust.Chantajka, Potapowo) beträgt minus 10-12 Grad Celsius. Im Januar ist es hier minus 29-35 Grad kalt, im Juli plus 12-13,5 Grad warm. Der Winter dauert jeweils 8-9 Monate. Im allgemeinen herrscht, wie es der bekannte Schauspieler Schschjonow humorvoll ausdrückte, „im Tajmyr-Gebiet 12 Monate lang Winter, die übrigen Monate sind Sommer“. Die Polarnacht gibt es auf dem Breitengrad Dudinka – Norilsk insgesamt 65 Nächte, den Polartag 83 Tage. An höheren Gewächsen gibt es im Tajmyr-Gebiet 360 verschiedene Arten, Meerwassertiere an den Ufern des Tajmyr – 6 Arten, Tiere in Tundra und Waldttundra – 30 Arten. Außerdem haben sich 73 Vogelarten in der Tundra eingenistet. Auf der Halbinsel Tajmyr leben auch etwa 500.000 wilde Rentiere und an wilden „Büffel-Schafen“ gibt es etwa 2000. Die unteren Flußläufe von Jenisej und Chatanga enthalten wertvolle Arten unterschiedlichster Fische, die somit zu den Ernähren der Ortsansässigen geworden sind.


Man muß ganz besondere Aufmerksamkeit auf die Tatsache richten, daß schon seit Vorkriegszeiten im Tajmyr ständig Forschungsexpeditionen tätig waren. So mußten wir 1943 in der Siedlung „Ust-Chantajka“ mit einer Expedition der Akademie der Wissenschaften der UdSSR zusammenleben (sie – auf einem am Ufer verlassen liegenden, hölzernen Lastkahn, und wir – in einem Häuschen). Diese Expedition befaßte sich auf dem „Chantajsker“ See mit dem Auffinden von Bauplätzen für ein Wasserkraftwerk, das auch tatsächlich in den Nachkriegsjahren mit einem Staudamm von 60 m Höhe und einem ins Felsmassiv eingelassenen Maschinenraum samt Generator, der über eine Kapazität von 450.000 Kilowatt verfügte, errichtet wurde. Ein derartiges Projekt, bei dem ein Maschinensaal unter Verwendung von Uferfelsen geplant wird, wurde hier zum ersten Mal realisiert. Das „Chantaijsker“ Wasserkraftwerk in „Sneschnogorsk“ („Schneeberg“) ist bestimmt für die „Speisung“ der Städte Norilsk und Dudinka. Es war eines der wenigen herausragenden „Hinweise“ aud das Tajmyr-Gebiet der Moderne.

Die teilweise in dem Buch „Wahre Begebenheiten aus dem Tajymr-Gebiet“ beschriebene Historie nimmt im wesentlichen Bezug auf die Jahre 1942-44. Dies ist eine im Tajmyr unvergessene Seite im Leben der vergangenen Generation repressierter „Volksfeinde“ und Sondersiedler; über sie wird bis heute geschrieben, und bis in die Gegenwart finden sich immer wieder Anmerkungen über die dort abgelaufenen, vergangenen Ereignisse. Wer im Hohen Norden wahrt die Erinnerung daran? Nun, es sind die Autoren sowie: „Das Tajmyrer Heimatkundemuseum“ mit seiner Direktorin O.P. Kornejewa, die Leiterin der Geschichtsabteilung des Museums – N.A. Predtetschenskaja (Dudinka), die Zeitung „Tajmyr“ – Redakteur W.M. Konjuschenko (Dudinka), das „Norilsker Institut für Industrie“ – Doktorin der Geschichtswissenschaften und Dozentin O.N. Chakimulina, der „Fond für Kultur-Initiativen“ (Krasnojarsk) – Direktorin I.D. Prochorowa, die Zeitung „Krasnojarsker Version“ – Redakteurin J. Barannikowa, das „Museum für Natur und Ethnographie“ im Tajmyrer Naturschutzgebiet (Chatanga) – Direktorin J.A. Aksjonowa, „Das städtische Gericht in Dudinka“ – Direktorin O.K. Ulanowa, das „Städtische Zentrum für Volkskunst“ (Dudinka) – Direktorin G.O. Skalezkaja, die Zeitungen „Landsleute“, „Heimat-Rodina“ und der „Umsiedler-Bote“ (Deutschland), mit deren Hilfe in Norilsk auf dem Berg „Schmidticha“zum Gedenken an die Repressionsopfer eine Kapelle und in Dudinka eine Kirche erbaut wurden; ferner wurde auf dem städtischen Friedhof ein Gedenkreuz aufgestellt, und an der Stelle, an der einmal ein Denkmal errichtet werden soll, fand bereits die Grundsteinlegung statt; im Haus der Kultur wurde für ehemalige Sondersiedler eigens ein großes Zimmer zur Verfügung gestellt; in der allerersten Siedlung im Nationalkreis, in „Ust-Chantajka“ stellte man für alle Sondersiedler des Tajmyr ein riesiges Gedenkkreuz auf, und die Stadt-Verwaltungen von Dudinka und Norilsk organisieren im Sommer für ehemals repressierte Bewohner des Tajmyr auf einem eleganten Motorschiff eine kostenlose 10-tägige Reise auf der Strecke Dudinka – Krasnojarsk – Dudinka. Ende der 1980er Jahre rief L.L. Loch, nachdem er künstlerischer Leiter des Kollektivs geworden war, im Städtischen Haus der Kultur (mit der Hilfe der städtischen Abteilung für Kultur und dessen Leiter W. Slabkow) den deutschen Chor „Nadeschda“ („Hoffnung“) ins Leben, bestehend aus: W. Pantschuk (Chormeister), W. Rott (Dirgent) sowie den Interpreten J.R. Astrachowa, W.W. Beilmann, T.W. Beilmann, B.Ch. Wakker, E.G. Geld (Held), A.J. Salzmann, J.A. Naftz, F.R. Neb, I.N. Parfjonowa, J.G. Tschirkowa, I.K. Scherer, F.F. Erdmann und dem musikalischen Leiter R.Ch. Giss. Der Chor sang Lieder in deutscher und russischer Sprache. Das waren die Lieder eines wiedergeborenen Volkes (1956 und später). Ebenso wurde den Deutschen aus Rußland eine histroische Ausstellung in Deutschland gewidmet (s. weiter unten).

Die genannten Zeichen der Aufmerksamkeit und des Gedenkens müssen in dem Sinne gewürdigt und anerkannt werden, dass das Tajmyr-Gebiet seine Geschichte zu bewahren sucht. Bei Begegnungen in Dudinka konnten wir uns davon überzeugen, dass in Fragen über die Tragödien, darunter auch der im Tajmyr vorgefallenen, ganz unterschiedliche Meinungen herrschen. Zwei davon möchten wir hier als Beispiel anführen.

Erstens: „Ja, der Ausbruch des Krieges ist jedem bekannt – das war Verrat am eigenen Volk (4 Millionen Kriegsgefangene), und dann auch noch die schweren Kriegsjahre – 1941, 1942, 1943 (Moskau, Leningrad, Stalingrad, Kursk-Belgorod u.a.), das ganze Land hungerte (denn die gesamte deutsche Bevölkerung mußte 1941, als sie aus der ASSR der Wolgadeutschen nach Sibirien deportiert wurde, im Herbst die reiche, bereits eingebrachte Ernte, das gesamte Vieh zurücklassen, und wurde auf diese Weise zur „feindlich gesinnten“ Bevölkerung mit der Vorsilbe „Sonder“; genau durch diesen Umstand verschlechterte sich im Lande der Nahrungsmittelmarkt). Die Menschen, die an den Orten lebten, die nun vom Krieg überrollt wurden, mußten vielleicht noch viel mehr durchmachen, als ihr im Norden; was macht ihr denn so einen Lärm um euer tragisches Schicksal – alle hatten es doch schwer und waren dem Verderb preisgegeben“. Der Gedanke ist klar: alle hatten es schwer – alle haben während des Krieges diese Tragödie durchgemacht (Tod, Hunger, Erdhütten, Skorbut, keine Kleidung usw.), bei allen verhielt es sich genauso wie bei euch.

Und nun die zweite Meinung (die auch der Ansicht der Autoren entspricht). Man muß unterscheiden zwischen unausweichlichen Ereignissen, einer ausweglosen Lage und dem Schicksal, die einem durch den Krieg aufgezwungen werden, und den Geschehnissen und Bedingungen, welche die Staatsmacht geschaffen hat. Die Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR N° 197 vom 6. Januar 1942 „Über die Entwicklung der Fischindsutrie in den Flußregionen des Nordens und des Fernen Ostens“ war absolut unüberlegt; die Menschen wurden, anstatt dass die Rote Armee sie an ihren Arbeitsplätzen unterstützte und ihnen materielle und finanzielle Hilfe erteilte, zum Aussterben deportiert. Durch die Kriegskommissariate wurden zehntausende Menschen (nur Frauen, Minderjährige, Kinder und Alte, denn die Männer waren alle, ohne Ausnahme, Anfang 1942 in Arbeitskolonnen des NKWD mobilisiert worden), aus Sibirien abtransportiert und auf dem Wasserwege „zum Fischen“ ins Tajmyr-Gebiet gebracht. Ergebnis: ohne vorherige Berechnung der tatsächlich erforderlichen Anzahl an „Sklavenarbeitern“, wurde nicht weniger als das 3- bis 3,5-Fache an Arbeitskräften „völlig überflüssigerweise“ verschleppt, für die es beim Fischfang überhaupt keinen Platz gab. Menschen, die kein Zuhause hatten, mußten unter freiem Himmel ausharren und zählten im Hinblick auf die Versorgung mit Lebensmitteln und Industriewaren nicht zu Arbeitenden, sondern zu nicht verdienenden Familienmitgliedern mit Kindern, und das unter den Bedingungen des Hohen Nordens. Unter den „Überflüssigen“ setzte aufgrund von Kälte, Hunger und Skorbut ein Massensterben ein, und zwar bereits unmittelbar nach ihrer Ankunft am nackten Ufer des Jenisej.

Dies ist die zweite Meinung, über die jetzt nicht mehr geschwiegen werden darf. Dies ist eine Tatsache, die nicht unter der Einwirkung von Kriegshandlungen entstanden ist, sondern durch die sowjetische Regierung. Die Verfügungen und die Familiennamen derer, die sie unterzeichneten, sind allen hinreichend bekannt. Eine derartige Vernichtung von Menschen ist die wahre Voraussetzung für den Untergang der Rußland-Deutschen und der sogenannten „Sondersiedler“ in ihrer Gesamtheit. Deswegen ergibt sich bei der Einschätzung der in jenen Jahren entstandenen zweifachen Situation folgendes: einerseits herrschte Krieg, auf der anderen die „Führer“. Im ersten Fall war es die kriegsbedingte Situation, im zweiten das Erscheinungsbild von Todesvoraussetzungen, über die die Sondersiedler nun nicht mehr schweigen. Aus der Vorsilbe „Sonder“ entstand die Geschichte der Existenz dreier Generationen, die jetzt bereits aus dem Leben geschieden sind. In diesem „weißen Fleck“ des Tajmyr liegen unvergeßliche Jahre. Die Zeit bringt uns in jene Periode zurück, die sich in dieser historischen Arena, in der authentischen Geschichte abspielte, ohne die das Selbstbewußtsein der repressierten Tajmyrer des „Produktionsausstoßes“ 1942-1944 undenkbar wäre. Das Leben jener Jahre ist im Gedächtnis haften geblieben. Als Viktoria und ich im Jahre 2002 in Dudinka weilten, empfanden wir ein höchstausgeprägtes Gefühl von Mitleid gegenüber den Menschen, die unendlich viel durchgemacht und diese schwere menschliche Last so viele Jahre mit sich herumgetragen hatten. An wen sollten sie ihre Erinnerungen weitergeben, wer konnte ihnen all das ein wenig leichter machen, was in jedem von ihnen jahrelang so schwer gelastet hatte? Schließlich herrschte doch seit frühester Kindheit im Blut des Rußland-Deutschen die permanente Angst sich offen zu äußern.

Die deutschen Sondersiedler aus Rußland – wer sind sie? Das sind jene, die 1941 aus dem Wolgagebiet und Leningrad zunächst nach Sibirien und 1942 dann weiter auf die Halbinsel Tajmyr abtransportiert wurden, um dort zu billigen Arbeitskräften für die Erschließung der Fischvorkommen unter den rauhen Bedingungen des polaren Nordens zu werden. Bis heute leben in der Stadt Dudinka, der Hauptstadt des Autonomen Tajmyr-Gebiets, etwa 60 Deutsche und im Tajmyr-Gebiet insgesamt ungefähr 70. Aus der Zahl der Einwohner von Dudinka sind einige wenige geblieben, die als lebende Zeugen für die schrecklichsten dort durchlebten Jahre 1942-44 in Erscheinung treten, als aufgrund der alle menschlichen Kräfte übersteigenden Schwerstarbeit, Hunger, Kälte und Skorbut nicht weniger als 70% der im Tajmyr ausgesetzten Frauen, Halbwüchsigen, Kinder und Alten umkamen. Hungerrationen, das Fehlen warmer Kleidung, in den ewigen Frostboden gegrabene Erdhütten, die in den kleinen Siedlungen praktische vollständig fehlende medizinische Versorgung, die Erschließung unbewohnter Gegenden auf Kosten des eigenen Lebens und die Sicherstellung von Arbeitsplätzen für lediglich 30% der Arbeitsfähigen. Unter zahlreichen anderen Fakten möchte ich als für den Tod verantwortliche Bedingungen nur zwei anführen.

Nach Zeugnissen der medizinischen Betreuungsstelle in Ust-Chantajka (geleitet von N.W. Jankowitsch und ihrem Sohn Jurij) beschlossen drei Finnen, deren Familienmitglieder alle gestorben waren, im Winter nach Igarka zu fliehen. Sie gingen 45 km zufuß bis zur Siedlung Agapitowo (es gibt einen kahlen Uferstreifenmit dieser Bezeichnung). Zwei von ihnen stürzten auf dem Eis des Jenisej und erforen, der Dritte kehrte nach Ust-Chantajka zurück. on ihm erfuhren sie schreckliche Nachrichten. Bereits unmittelbar vor dem Zufrieren des Flusses, hatte man mit dem uralten Raddampfer „Maria Uljanowa“ 500 Menschen auf einmal am Ufer angeliefert. Man gab ihnen sechs Zelte – und das war’s: keine Lebensmittel, keine Eisenöfen, keine Äxte und Sägen zur Beschaffung von Brennholz. Man ließ die Menschen im Stich und vergaß sie dann. Zum Frühjahr waren sie alle umgekommen. Irgendeinem aus Agapitowo war es noch gelungen, sich 15 km weiter, bis zur Siedlung Plachino, durchzuschlagen und dann per Mitfahrgelegenheit auf einem schnellen Rentierschlitten (45 km) weiter bis nach Igarka zu kommen, wo der Flüchtling sogleich die Sonderkommandantur des NKWD aufsuchte. Der Kommandant hörte ihm geduldig zu und fragte dann: „Ist denn dort überhaupt niemand mehr am Leben?“ – Natürlich war er überzeugt davon, dass dort längst alle tot waren. Bei so einer Frage muß man vermuten, dass der Kommandant bereits im Herbst gewußt hatte, dass die dort abgelieferten Menschen dem Untergang geweiht waren. Die schreckliche Nachricht verbreitete sich in Windeseile in den Siedlungen am Unterlauf des Flusses. Es war ein wahrer Schuttabladeplatz für unschuldige, überflüssige Menschen. Allerdings widmete der Kommandant seinem „Gast“ eine gewisse Aufmerksamkeit – er versorgte ihn mit Essen und besorgte ihm einen Arbeitsplatz in der Schiffswerft, wo der Finne gute Arbeit leistete und sich erholte. Dank sei dem Retter aus der Kommandantur.

Die zweite Tatsache vollzog sich in weniger tragischer Weise, als die in Agapitowo. Vor dem Winterbruch wurden von einem Schiff. weiter flußabwärts von Ust-Port, auf einer sandigen Insel 140 Sondersiedler an Land gesetzt. Diese Gruppe besaß einige wenige Hand-Werkzeuge, mit deren Hilfe die vom Schicksal Gezeichneten begannen, sich aus Buschwerk und mit Moos abgedichtete Hütten zu bauen. Aber während eines Schneegestöbers hielt ein auf einem Rentiergespann vorbeiziehender Ureinwohner bei ihnen an und warnte die Menschen, dass diese Insel im Frühjahr vollkommen überflutet würde und dass sie lieber ans höhergelegne, rechte Ufer umziehen sollten. Der gute Mann hatte ihnen vorsorglich bescheid gesagt, dass den vom Schicksal Verdammten der Tod drohte.

Um den Prozeß der Aussetzung von Menschen in er Jenisej-Mündung zusammenzufassen, kann man nur sagen – man trieb die Menschen wie Vieh ans Ufer, ohne ihnen die geringsten Bedingungen zum Leben zur Verfügung zu stellen. Diejenigen, die diese Jahre lebend überstanden, waren hauptsächlich jene, die sich schon vorher mit dem Fischfang ein wenig ausgekannt hatten; zu ihnen gehörten auch Viktoria und ich. „Mehr Fisch für die Front“ ertönte an den Fischfangplätzen (den Flußrevieren, an denen der Fischfang mit riesigen Schleppnetzen betrieben wurde) die Propaganda-Losung, obwohl, wie später bekannt wurde, die gesamte Fischausbeute für die Verpflegung des hunderttausend Häftlinge umfassenden Kontingents des Norilsker Arbeits- und Erziehungslagers verwendet wurde; zu keinem Zeitpunkt wurde der Fisch an die Front geliefert. Als Wirtschafter der Planungsabteilung des „Staatlichen Tajmyrer Fisch-Trusts“ erfuhr ich in Dudinka (1945-1946), dass in der Fischfabrik für die Hauptstadt geräucherte Zwergmaränen (hmm – lecker) hergestellt wurden, und in der Ust-Porter Konservenfabrik Fischkonserven in Tomatensauce und Öl, die gelegentlich von Flugzeugen des Typs „Douglas“ nicht zur Front, sondern nach Moskau mitgenommen wurden. Damit will ich sagen, dass die oben erwähnte Losung natürlich nicht erfüllt werden konnte. Denn in der Tat konnte zur damaligen Zeit ein derart schnell verderbliches Produkt wie Fisch nicht 7000 km weit transportiert und dann in noch eßbarem Zustand an die Frontsoldaten ausgeliefert werden; und Norilsk – das lag schließlich mit seinen Massenverbrauchern gleich nebenan. Wer konnte unter den Bedingungen des Hohen Nordens in der nötigen Menge ein so wertvolles Produkt wie den Fisch an dieses Arbeits- und Erziehungslager liefern? Auf diese Frage gibt die Verordnung über die Erschließung der Fischvorkommen in Sibirien und dem Fernen Osten vom 6. Januar 1942 die Antwort, eine Verordnung, mit der kostenlose Arbeitskräfte (Sklaven) in einer Anzahl von 11000 Personen ins Tajmyr-Gebiet geschickt wurden,; das waren dreimal so viele Menschen wie Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Nachdem uns das NKWD den Stempel „Sondersiedler“ aufgedrückt hatte, das mit einer monatlichen Meldepflicht beim Kommandanten der Sonderkommandantur und dem Verbot, den Aufenthaltsort im Tajmyr-Gebiet zu verlassen, verbunden war, fanden wir uns auf dem gleichen Niveau, in demselben Status wieder, wie die nicht mehr unter Wachbegleitung stehenden Gefangenen des allmächtigen NKWD-Systems und des Norilsker Arbeits- und Erziehungslagers, als Zulieferer für ein wertvolles Produkt namens Fisch. Selbstverständlich mußte es für die Verpflegung der „Volksfeinde“ „Essen“ geben – und das befand sich gleich nebenan – im Jenisej. Davon wird überhaupt nicht gesprochen. Auf diese Weise standen die „Sondersiedler“, zusammen mit dem Arbeits- und Erziehungslager, unter der Ägide eine einzigen staatlichen Behörde – dem NKWD. Nun, da mehr als 70 Jahre vergangen sind und man die damals vom Kreml im Tajmyr-Gebiet geschaffene Situation nüchtern und besonnen betrachtet, so muß man beim niederschreiben der historischen Fakten die Sondersiedler (als Zulieferer) als einheitliches Ganzes mit der Geschichte des Norilsker Arbeits- und Erziehungslagers und des Hüttenkombinats (als Abnehmer) sehen. Norilsk lieferte dem Land Nickel, und im Gegenzug organisiert der Kreml den „Staatlichen Tajmyrer Fisch-Trust“, um für die Arbeitenden Nahrung zu gewinnen und auf diese Weise aus den Reihen repressierter, unschuldiger Menschen Arbeitskräfte zu rekrutieren und zu sichern, die unter demselben NKWD-Dach standen, wie das Kombinat selbst.

Wenn man sie nun als zwei Tajmyrer Geschichten betrachtet, dann kann man sie sich in der Literatur so vorstellen, dass jeweils eine die andere ergänzt hat. Jetzt erinnere ich mich an eine in meiner Fischfang-Brigade unvergessene Episode im Zusammenhang mit dem Namen Lew Nikolajewitsch Tolstoj. Irgendwie wurde uns im Oktober 1943 mit dem letzten Boot vom Bezirkskomitee des Komsomol in Dudinka ein stattlicher Packen Bücher mit schöngeistiger Literatur nach Ust-Chantajka geschickt. Ich wählte eines über das Leben L.N. Tolstojs auf seinem Landgut „Jasnaja Poljana“ aus (an den genauen Titel kann ich mich nicht mehr erinnern), in dem in aller Genauigkeit das seinen Herren auszeichnende Benehmen beschrieben wurde, welches sich meiner Ansicht nach darin äußerte, dass er, ein berühmter und nicht gerade armer Mann, dort barfüßig herumlief, was der ganzen Welt bekannt wurde. Darüber las ich im Zelt den Jungs meiner Brigade vor. Fischerin Kitja Ginz begriff recht schnell und stellte folgenden Vergleich an: „Wir arbeiten an unserem Fangplatz ebenfalls barfuß, aber der Unterschied mit Tolstoj liegt darin, dass er auf dem Trockenen keine Schuhe trug, während wir am Ufer so durch den Schnee und das eisige Wasser laufen“. Alle pflichteten ihr bei, dass L.N. seine Schuhe aus eigenem, freiem Willen ausgezogen hatte, während wir froh gewesen wären, welche anziehen zu können, aber wir besaßen kein Schuhzeug. Ein derartiges, ganz zufällig entstandenes Gespräch über unsere „eitrigen Hautwunden“ beendete dann auch unsere Bekanntschaft mit „Jasnaja Poljana“. Die jungen Leute hatten schnell begriffen, dass es etwas Gemeinsames, aber auch etwas Unterschiedliches in der Frage des Barfußgehens gab.

Im Jahre 2002 jährte sich der Tag unserer Ankunft in der Siedlung Ust-Chantajka zum 60. Mal. Beim Zusammentreffen mit dem örtlichen Aktiv der Gesellschaft „Wiedergeburt“ (deren Vorsitzende Walentina Wladimirowna Beilmann ist), wandten die Mitglieder sich mit er Bitte an uns, jene Tragödie mit seinen zum Untergang führenden Lebensbedingungen, denen die im Tajmyr-Gebiet abgelieferten, repressierten Menschen ausgesetzt waren, niederzuschreiben. Uns wurde ganz direkt und „frei heraus“ gesagt: „Wenn du, Leo, als Zeuge dieser Ereignisse es nicht zu Papier bringst, dann wird keiner es jemals tun“. Und in der Tat scheidet die Generation des „Produktionsjahres“ 1942 nach und nach aus dem eben, sterben diejenigen, die sich an jene tragische Zeit noch erinnern können. Und so setzten Viktoria und ich uns an den Komputer. Da wir wußten, dass viele Familien inzwischen in Deutschland wohnten, wandten wir uns mit Hilfe der Zeitung „Heimat – Rodina“ mit dem Aufruf „Tajmyrer - meldet euch“ an sie und erhielten zahlreiche Briefe mit Erinnerungen und Fotos aus jenen Jahren. Eine solche Unterstützung gestattete es uns, das gesamte Material zu sammeln, zu ordnen und es zu einem separaten Büchlein zu vereinen, in dem die Tajmyrer anfangen zu sprechen – und nicht mehr schweigen. Das Begonnene erfuhr eine ausführliche Fortsetzung in dem Buch „Die Deutschen im Tajmyr-Gebiets“, das nun in ergänzter und erweiterter Version unter dem Titel „Wahre Begebenheiten aus dem Tajmyr-Gebiet“ herauskommen soll. Bereits vor mehreren hunert Jahren gab es in unserem Land die Meinung: „Rußland ist ein großes Land mit reichen Mineralvorkommen, man muß es nur richtig lenken“. J.R. Daschkowa – Mitstreiterin Katharinas der Großen. Weiter unten werden wir sehen, wie diese „Lenkung“ sich gestaltete.

Welche offiziellen, mit Beginn des Krieges 1941von der Staatsmacht hervorgebrachten Dokumente in Bezug auf Repressivmaßnahmen gegenüber den Sowjetdeutschen waren von besonders „grundlegender“ Bedeutung? Sie sind im folgenden aufgelistet:

1. Rat der Volkskommissare der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken,
Zentralkomitee der Allrussischen Kommunistischen Partei (Bolschewiken)
Anordnung N° (ohne Nummer), streng geheim, (Rat der Volkskommissare und des
Zentralkomitees der Allrussischen Kommunistischen Partei (Bolschewiken), Anordnung
N° (ohne Nummer), streng geheim) vom 28. August 1941, Moskau, Kreml: „Über die
Umsiedlung der in der Wolgarepublik und der Region Stalingrad lebenden Deutschen“.

Für den heutigen Leser wird es interessant sein, sich wenigstens mit einem Teil des Textes dieses wichtigen, ersten, „grundlegenden“ Dokuments (1) über die Umsiedlung bekannt zu machen. Hier sind seine wichtigsten Thesen:

„Der Rat der Volkskommissare der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ordnet an:

1. Alle in der Wolgarepublik sowie den Regionen Saratow und Stalingrad lebenden Deutschen in einer Gesamtzahl von 479.841 Personen in folgende Gebiete und Regionen umzusiedeln: Region Krasnojarsk – 75.000 Personen, Altai-Gebiet – 95.000, Gebiet Omsk – 85.000, Gebiet Nowosibirsk – 100.000, Kasachische SSR – 125.000. Der Umsiedlungsmaßnahme unterliegen ausnahmslos alle Deutschen – Bewohner von Städten und ländlichen Gebieten, einschließlich Mitglieder der Allrussischen Kommunistischen Partei (Bolschewiken) und des Allrussischen Kommunistisch-Leninistischen Jugendverbandes.

2. Mit der Leitung der Umsiedlungsmaßnahme das NKWD der UdSSR zu beauftragen ...

3. Die Umsiedlung von jeweils kompletten Kolchosen vorzunehmen. Die Unterbringung an den neuen Wohnorten teils auf dem Wege der Eingliederung der vollständigen Kolchosen in die dort bestehenden Kolchosen und Sowchosen, teils durch Ansiedlung der umzusiedelnden Kolchosen an einem neuen Ort durchzuführen; dies hat unter Verwendung des bereitgestellten Umsiedlerfonds, der Ausnutzung aller leerstehenden Gebäude in den ländlichen Gegenden und einer entsprechend starke Belegung der Unterkünfte zu geschehen...

5. Den Umzusiedelnden zu gestatten, persönlichen Besitz, kleinere landwirtschaftliche Gegenstände sowie alltägliches Inventar und Lebensmittel in einem Gesamtgewicht von 1 Tonne pro Familie mitzunehmen...

9. Das Volkskommissariat für Fleisch- und Milchindustrie sowie das Volksommissariat der Sowchosen (Genosse Lobanow)zu verpflichten, an die umzusiedelnden Kolchosen und die Kolchosbauern am Ort ihrer Neuansiedlung im Verlauf der Jahre 1941-1942 Vieh zuzuteilen (mit Ausnahme von Pferden), und zwar entsprechend der Kopfzahl des von ihnen vor der Umsiedlung abgegebenen Viehs.

13. Mit der Sicherstellung der Verpflegung der Umzusiedelnden für unterwegs das Vokskommissariat für Handelswaren zu beauftragen....

14. Mit der medizinischen Betreuung der Umzusiedelnden das Volkskommissariat für Gesundheit der UdSSR zu beauftragen...

17. Mit der Umsiedlung am 3. September 1941 zu beginnen und die Aktion bis zum 20. September 1941 beendet zu haben...

18. Den Transport der Umzusiedelnden mit der Eisenbahn durchzuführen sowie im Falle von insgesamt 24.000 Personen auf dem Wasserwege über Astrachan – Gurjew“.

Rein äußerlich sieht die Anordnung für die mündliche Propaganda überhaupt nicht schlecht aus (denn das gesamte Kreml-Programm der Deportation der deutschen Bevölkerung wurde unter dem Siegel „streng vertraulich“ durchgeführt), als ob nämlich einige Interessen der Umzusiedelnden gewahrt würden. Tatsächlich aber wurden von allen genannten Hauptpunkten lediglich zwei real erfüllt: 1. der Zeitraum, in dem die Umsiedlungsaktion durchgeführt werden sollte und 2. die hundertprzentige Aussiedlung aller Menschen aus der ASSR der Wolgadeutschen, so dass es unmittelbar nach der Ankunft in Sibirien bereits Opfer zu beklagen gab; die Menschen starben aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen, Problemen bei der Arbeit und mit der Ernährung , die man für die Deportierten nicht in ausreichendem Maße sichergestellt hatte. Das überstürzte Handeln (innerhalb von nur 17 Tagen eine halbe Million Menschen mehrere 1000 Kilometer weit umzusiedeln!) konnte nicht ohne Verluste abgehen: die vollständige reiche Ernte des Herbstes 1941 (und das ist während des Krieges ein strategisch wichtiges Produkt!) sowie das gesamte Vieh der ASSR der Wolgadeutschen gingen verloren, aber das Schlimmste war, das unschuldige Menschen schlichtweg ihrer materiellen Dinge und ihrer Gesundheit beraubt wurden.

2. Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28. August 1941 „Über die Umsiedlung der in den Wolga-Rayons lebenden Deutschen“. Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets M. Kalinin, Sekretär des Präsidiums es Obersten Sowjets der UdSSR A. Gorkin. Diese Anordnung (1) und der Ukas (2) stecken voller offener Lügen und Verleumdungen über das gesamte deutsche Volk und bilden die Grundlage der Dokumente, die aus den ausgedachten Beschuldigungen gegen die Wolgadeutschen entstanden. (Über „die Anschuldigungen“ – Punkt 1-34).

3. Streng geheim. Befehl des Volkskommissars für innere Angelegenheiten (NKWD), der UdSSR vom 28. August 1941 „Über Maßnahmen zur Durchführung der Operation der Umsiedlung der Deutschen aus der Republik der Wolgadeutschen sowie der Regionen Saratow und Stalingrad“. L. Berija.

4. Streng geheim. Anordnung des Staatlichen Komitees für Verteidigung N° 636 vom 6. September 1941 „Über die Umsiedlung der Deutschen aus Moskau und dem Gebiet Moskau sowie der Region Rostow“.
Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Verteidigung J. Stalin.

5. Ukas des Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR vom 7. September 1841 „Über den administrativen Aufbau des Terrirtoriums der ehemaligen Republik der Wolgadeutschen“. Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR – M. Kalinin, Sekretär des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR – A. Gorkin.

Auskunft:

5-1. 19. Oktober 1918 Unterzeichnung des Dekrets des Rates der Volkskommissare „Über die Schaffung eines autonomen Gebiets der Wolgadeutschen“ durch W.I. Lenin.

5-2. Am 20. Februar 1924 Unterzeichnung des Dekrets des Allrussischen Zentral-Exekutivkomitees der Räte- und Arbeiter-, Bauern- u. Rotarmistendeputierten und des Rates der Volkskommissare, nach dem die ASR der Wolgadeutschen gegründet wird. Hier der Wortlaut des Dekrets: „Das Allrussische Zentrale Exekutivkomitee und der Rat der Volkskommissare ordnen an:

1. Das Autonome Gebiet der Wolgadeutschen als föderativen Teil der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik in eine Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen umzuwandeln, und zwar innerhalb der bestehenden Grenzen des autonomen Gebiets mit seinen Kantonen Pokrowsk, Krasnojar, Marxstadt, Fedorowsk, Tonkoschur, Krasnokut, Pallasowska, Staropol, Rowno, Wolsk, Golo-Karamysch, Solotow Kamensk und Medwedizko-Krestowo-Bujerak mit der Stadt Pokrowsk als Verwaltungszentrum.

2. Den Staatsapparat der ASSR der Wolgadeutschen entsprechend der Verfassung der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und der RSFSR sowie der Anordnung des XI. Parteitags der wolgadeutschen Gebiete aus ortsansässigen Räten, ihren Parteitagen sowie den Exekutivkomitees des Zentralen Exekutivkomitees und des Rates der Volkskommssare zu organisieren.

3. Für die Lenkung der Angelegenheiten der ASSR der Wolgadeutschen Volkskommissariate für 1) innere Angelegenheiten, 2) Justizwesen, 3) Aufklärung, 4) Gesundheitswesen, 5) Finanzen, 6) Landwirtschaft, 7) Arbeit, 8) Sozialfürsorge, 9) Arbeiter- und Bauern-Inspektion. 10) den Rat für Volkswirtschaft zu schaffen.

4. Auslandsangelegenheiten und Außenhandel bleiben vollständig in der Kompetenz der Volkskommissare der UdSSR. Anmerkung: Sofern erforderlich, wird auf Anordnung des Volkskommissariats für Außenhandel der UdSSR ein entsprechender Apparat für den Außenhandel eingerichtet.

5. Zur Lenkung militärischer Belange wird ein Kriegskommissariat auf der Rechtsgrundlage eines Gouvernements-Kriegskommssariats geschaffen, das dem jeweils nächsten militärischen Gebietskommissariat unterstellt ist.

6. Beim Rat der Volkskommissare der ASR der Wolgadeutschen wird ein Organ der Staatlichen Politischen Leitung (GPU) der RSFSR gebildet.

7. Für die Bewerkstelligung der statistischen Arbeiten beim Rat der Volksommisare der ASSR der Wolgadeutschen wird eine Behörde für Statistik geschaffen, die entsprechend den Direktiven der Zentralen Statistischen Verwaltung agieren wird. Der Leiter der Statistischen Behörde gehört mit beratender Stimme zum Rat der Volkskommissare der ASSR der Wolgadeutschen.

8. Die Apparate des Volkskommissariats für Transportwege, des Volkskommissariats für Post- und Telegrafendienste in der ASSR der Wolgadeutschen werden auf Anordnung der entsprechenden Volkskommissariate der UdSSR geschaffen.

9. Zum Zwecke er Wahrung der Einheit von Finanz- und Wirtschaftspolitik der RSFSR bleiben die Volkskommissariate der ASSR der Wolgadeutschen für Finanzen, Arbeit, Arbeiter- und Bauern-Inspektion sowie der Rat für Volkswirtschaft in unmittelbarer Unterstellung der gleichnamigen Kommissariate der RSFSR, wobei alle Planaufgaben und Anordnungen vom Rat der Volkskommissare der ASSR der Wolgadeutschen durchgeführt werden. Anlage: Die Volkskommissare der in den neun §§ genannten Kommissariate werden mit dem Einverständnis des Zentralen Exekutivkomitees und des Rates der Volkskommissariate der ASSR der Wolgadeutschen, in Übereinstimmung mit den Volkskommissariaten der RSFSR, ernannt.

10. Die Volkskommissariate der ASSR der Wolgadeutschen für innere Angelegenheiten, Justiz, Aufklärung, Gesundheit, Landwirtschaft und Sozialfürsorge sind in ihren Tätigkeiten autonom und unmittelbar vor dem Rat der Volkskommissare, dem Zentralen Exekutivkomitee der ASSR der Wolgadeutschen sowie dem Allrussischen Zentralen Exekutivkomitee verantwortlich.

11. Die Sprachen Deutsch, Russisch und Ukainisch sind auf dem Territorium der ASSR der Wolgadeutschen gleichberechtigt. In allen territorialen Teilen der Republik wird der amtliche Schriftverkehr in der Sprache geführt, die vom größten Teil der dortigen Bevölkerung gesprochen wird.

5-3. Am 28. April 1937 wurde die Konstitution der ASSR der Wolgadeutschen verabschiedet, nach der die Republik als sozialistischer Arbeiter- und Bauernstaat ausgerufen wurde und auf Grundlage einer autonomen Republik Bestandteil der RSFSR war. In Artikel 15 der Verfassung stand geschrieben, dass „das Territorium der ASSR der Wolgadeutschen ohne Einverständnis der ASSR der Wolgadeutschen unveränderlich“ sei. Dennoch wurde die ASSR der Wolgadeutschen am 7. September 1941 durch einen Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR ohne gesetliche Grundlage liquidiert und ihr Territorium unter den Gebieten Saratow und Stalingrad aufgeteilt. Das ist der kurze Weg der Autonomie der Wolgadeutschen: sie dauerte vom 19. Oktiber 1918 bis zum 7. September 1941.

Die weiter oben angeführten gesetzesdokumente der UdSSR verkörpern von Anfang bis Ende die Geschichte der Schaffung der sowjetischen Autonomie der Wolgadeutschen und der schmachvollen, verlogenen, illegalen Vernichtung dieser Autonomie – sie existierte insgesamt nur 23 Jahre.

6. Streng geheim. Befehl des MWD der UdSSR „Über die Durchführung der Operation der Umsiedlung der Deutschen aus Moskau und dem Gebiet Moskau“ N° 001237 vom 8. September 1941.
Volkskommisar für Innere Angelegenheiten der UdSSR, L. Berija.

7. Befehl N° 35105 vom 8. September 1941 des Höchsten Oberkommandierenden über die „Entfernung“ aller Kriegsdienstleistenden deutscher Nationalität aus der Roten Armee sowie deren Formierung zu „Arbeitskolonnen“ des NKWD mit Lagerregime. (Diese Kolonnen waren der Beginn der sogenannten „Trudarmee“).

9. Streng geheim. Anordnung des Staatlichen Komitees für Verteidigung N° 702 vom 22. September 1941 „Über die Umsiedlung der Deutschen aus den Gebieten Saporoschje, Stalin und Woroschilowgrad“.
Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Verteidigung, J. Stalin.

10. Stren geheim. Anordnung des Staatlichen Komitees für Verteidigung N° 743 vom 8. September 1941 „Über die Umsiedlung der Deutschen aus dem Gebiet Woronesch“.
Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Verteidigung, J. Stalin.

11. Streng geheim. Anordnung des Staatlichen Komitees für Verteidigung N° 744 vom 8. Oktober 1941 „Über die Umsiedlung der Deutschen aus den Sozialistischen Sowjetrepubliken Grusinien (Georgien), Aserbeidschan und Armenien“.
Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Verteidigung, J. Stalin.

12. Streng geheim. Anordnung des Staatlichen Komites für Verteidgung N° 827 vom 22. Oktober 1941 „Über die Umsiedlung der Deutschen aus den Autonomen Sozialistischen Sowjetrepubliken Dagestan und Tschetschenien-Inguschetien.
Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Verteidigung, J. Stalin.

13. Streng geheim. Verfügung des Rates der Volkskommissare N° 197 vom 6. Januar 1942 „Über die Entwicklung des gewerblichen Fischfangs an den Flüssen Sibiriens und des Fernen Ostens“.
Stellvertretender Vorsitzender des Rates der Volkskommissare, W. Molotow,
Leiter der Angelegenheiten des Rates der Volkskommisare, J. Tschadajew.

14. Streng geheim. Anordnung des Staatlichen Komitees für Verteidigung N° 1123 vom 10. Januar 1942 „Über die Verfahrensweise zur Verwendung umgesiedelter Deutscher im Einberufungsalter zwischen 17 und 50 Jahren“.
Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Verteidigung, J. Stalin. (Mit Erscheinen dieser Anordnung begann die Organisierung von „Arbeitskolonnen“ des NKWD).

15. Streng geheim. Anordnung des Staatlichen Komitees für Verteidigung N° 1281 vom 14. Februar 1942 „Über die Mobilisierung der deutschen Männer im Einberufungsalter zwischen 17 und 50 Jahren, deren ständiger Aufenthaltsort sich in den Gebieten, Regionen, autonomen sowie Unions-Gebieten befindet“.
Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Verteidigung, J. Stalin.

16. Streng geheim. Anordnung des Staatlichen Komitees für Verteidigung N° 2383 vom 7. Oktober 1942 „Über die zusätzliche Mobilisierung von Deutschen für die Volkswirtschaft der UdSSR“. Die Monilisierung inArbeitskolonnen des NKWD für die gesamte Dauer des Krieges. Männer im Alter von 15-16 und 51-55 Jahren sowie deutsche Frauen im Alter von 16-45 Jahren.
Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Verteidigung, J. Stalin.

17. Streng geheim. Anordnung des Staatlichen Komitees für Verteidigung N° 3960 vom 19. August 1943 „Über die Mobilisierung und Verschickung von 7000 deutschen Männern und Frauen in die Kohleindustrie-Reviere“.
Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Verteidigung, J. Stalin.

18. Streng geheim. Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR vom 8. Januar 1945 „Über die Rechtslage de Sonderumsiedler“.
Stellvertretender Vorsitzender des Rates der Volkskommissare der UdSSR, W. Molotow,
Leiter der Angelegenheiten des Rates der Volkslommisare der UdSSR, J. Tschadajew.

19. Streng geheim. Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 26. November 1948 „Über die strafrechtliche Verantwortung bei Flucht von Personen, die während des Krieges in entlegene Bezirke der Sowjetunion ausgesiedelt wurden, aus den Orten ihrer Zwangs- und Daueransiedlung“.
Vorsitzender des Obersten Sowjets der UdSSR, N. Schwernik,
Sekretär des Obersten Sowjets der UdSSR, A.Gorkin.

Die Umsiedlung der Sowjetdeutschen erfolgt für immer; für eigenmächtiges Sichentfernen – 20 Jahre Zwangsarbeit; für das Verstecken von Flüchtlingen – 5 Jahre Freiheitsentzug.

20. Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 11. März 1952 „Über die Verschickung zur Sonderansiedlung von Personen, die ihre Haftstrafe verbüßt haben, deren Familienmitglieder sich in Sondersiedlung befinden“.
Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, N. Schwernik,
Sekretär des Obersten Sowjets der UdSSR, A.Gorkin.
(Dieser Ukas sowie der Ukas vom 26. November 1948 sind auf sowjetische und andere Sondersiedler anzuwenden). Im Herbst 1941 fanden sich die Sowjetdeutschen in Sibirien wieder, um dort folgende Ukase, Anordnungen und Befehle des Kreml zu erfüllen:

1. Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR und des ZK der WKP (B)
vom 26. August 1941
2. Ukas des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28. August 1941
3. Befehl des NKWD der UdSSR vom 28. August 1941
4. Befehl des MWD 001237 vom 8. September 1941
5. Befehl des Höchsten Oberkommandierenden N° 35105 vom 8. September 1941
6. Anordnung des Staatlichen Verteidigungskomitees N° 698, streng geheim, vom 21.
September 1941
7. Anordnung des Staatlichen Verteidigungskomitees N° 702, streng geheim, vom 22.
September 1941
8. Anordnung des Staatlichen Verteidigungskomitees N° 743, streng geheim, vom 8.
September 1941
9. Anordnung des Staatlichen Verteidigungskomitees N° 744, streng geheim, vom 8.
September 1941
10. Anordnung des Staatlichen Verteidigungskomitees N° 827, streng geheim, vom 22.
Oktober 1941

Ihre „Reisegutscheine“ von Sibirien ins Tajmyr-Gebiet erhielten die repressierten Völker, unter ihnen auch die Sowjetdeutschen, durch die Umsetzung folgender Direktiven:

1. Verfügung des Rates der Volkskommissare der UdSSR N° 197 vom 6. April 1942
2. Anordnung des Staatlichen Komitees für Verteidigung N° 1123, streng geheim, vom 10.
Januar 1942
3. Anordnung des Staatlichen Komitees für Verteidigung N° 1281, streng geheim, vom 14.
Februar 1942

Direktiven, die auf alle in den Siedlungsorten befindlichen repressierten Völker Anwendung fanden:

1. Anordnung des Staatlichen Komitees für Verteidigung N° 2383 vom 7. Oktober 1942
2. Anordnung vom Rat der Volkskommissare der UdSSR vom 8. Januar 1945
3. Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 26. November 1948

Die Liste der durch den Kreml herausgegebenen Gestzesakte zeigt, dass sich von 20 lediglich 3 unmittelbar auf die Tajmyr-Deutschen beziehen, die vom 6. und 10. Januar sowie vom 14. Februar 1942 über die Entwicklung der Fischfang-Industrie und die Mobilisierung und den Arbeitseinsatz von deutschen Umsiedlermännern im Einberufungsalter; außerdem drei weitere – vom 7. Oktober 1942, 8. Januar 1945 und 26. November 1948 über die Mobilisierung deutscher Männer im Alter von 15-16 sowie 51-55 Jahren und deutschen Frauen zwischen 16 und 45, über die Rechtslage der Sondersiedler und die Bestrafung mit 20-jähriger Zwangsarbeit bei eigenmächtigem Verlassen der Siedlung. Durch den Besitz all dieser grundlegenden Kreml-Direktiven, die sich auf die Sowjet-Deutschen beziehen, haben wir praktisch einen ganzen Kreis von Gesetzesakten geschlossen, mit denen der Kreml völlig unschuldige Menschen beiderlei Geschlechts und aller Altersgruppen belegte, und das aus dem alleinigen Grunde, weil sie deutscher Nationalität waren; dafür ließ er sie in allen Lebensparametern auf das Niveau wahrhaftiger Verbrecher sinken. Seitdem sind 65 Jahre vergangen. Wie charakterisieren die Menschen, die aus diesem Lebenskreis herausgekommen sind, die Ergebnisse der „Arbeit“ der Kreml-Führer vom Standpunkt jener politischen Unterdrückung aus, mit der diese Menschen umgeben waren?

Es war damals leichter, die durch den Krieg entstandene Situation durchzustehen, aber es war unmöglich mit den legitimierten Erniedrigungen, Kränkungen, Demütigungen, Verhöhnungen, den Gesetzlosigkeiten und der grenzenlosen Willkür unter Aufsicht des NKWD in Einklang zu kommen.

Wi erinnern noch einmal daran – wer war ein Sondersiedler? Eine Person, die aus politischen Motiven und aufgrund seiner nationalen Zugehörigkeit repressiert wurde.

Machen wir uns bekannt mit den Erinnerungen von Augenzeugen, ehemaligen Sondersiedlern, die 1942 auf dem Jenisej ins Tajmyr-Gebiet verschleppt wurden.


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