









Am 29. Januar 1949 verabschiedete der Ministerrat der UdSSR eine Anordnung, in der es um die Notwendigkeit des Baus einer Eisenbahn-Strecke von Salechard nach Igarka in einer Länge von 1200 Kilometern ging. Es war vorgesehen, im vierten Quartal 1952 den arbeitsmäßigen Betrieb aufzunehmen und 1955 mit der Nutzung der Strecke zu beginnen. Die Überquerung der Flüsse Ob und Jenissei sollten mit Hilfe selbstfahrender Fähren realisiert werden. Vor der Nördlichen Verwaltungsbehörde formierten sich zwei Bau-Projekte – das Obsker ¹ 501 und das Jenisseisker ¹ 503. Sie sollten die Strecke von zwei Seiten aufeinander zu verlegen.
Die Bauarbeiten begannen ohne Planung (sie war erst 1952 abgeschlossen, als bereits mehr als die Hälfte der Strecke vollendet war). An der neuen Magistrale sollten 28 Bahn-Stationen und 106 Nebengleise gebaut werden. Zu Beginn des Baus gab es an der zukünftigen Magistrale insgesamt nur 5–6 kleine Siedlungen mit jeweils wenigen Häusern. Doch schon sehr bald wurden es viele: es handelte sich um Lager-Außenstellen für Häftlinge, die jeweils etwa 5-10 km voneinander entfernt entstanden. Zwischen Igarka und Jermakowo befanden sich sieben Kolonnen für die Häftlinge – zwei im Stadtbereich, die anderen entlang des Jenisseis. Von Jermakowo aus gab es alle 6 km ein Lager. Zur Vermeidung von Irrtümern und zur besseren Klarheit bezüglich der von den einzelnen Lagerstellen zu leistenden Arbeiten benannte man sie nach dem Strecken-Kilometer, an dem sie gelegen waren. Nach Angaben von A.S. Dobrowolskij, der eine Expedition auf der Strecke durchführte, arbeiteten an ihrem Bau etwa 40.000 Gefangene. Allerdings überstieg ihre Anzahl zu besonders angespannten Zeiten, die 100.000.
1948 trafen die ersten Häftlingsetappen in Igarka ein, es entstanden Lagerzonen mit Stacheldrahtzäunen und Wachtürmen. Innerhalb der Zonen wurden Baracken und Dienstgebäude errichtet. Fast alle Zonen befanden sich innerhalb des Stadtgebiets. Dieser Gürtel zog sich von der heutigen Nord-Stadt (in der Vergangenheit - «Lager-Städtchen», Männer-Zone) bis zur Funkzentrale (Frauen-Zone). Im alten Teil der Stadt war die 7. Kolonne gelegen, wo sich ebenfalls Häftlinge befanden. In diesem Gebiet wurden der Bahndamm, das Gelände für das künftige Depot und die Bahnstation„Igarskaya“ ausgehoben. Am 23. März 1951 fand eine Sitzung des Exekutivkomitees des Stadtrates statt, auf der der Beschluss «Über das Entwicklungskonzept der Stadt Igarka im Zusammenhang mit dem Bau des Hafens und der Eisenbahn-Linie» gefasst wurde.16 Vom Fluss Tschornaja transportierten kleine Lokomotiven (auch: «Kuckucks», «Schäfchen» oder «Primusse» genannt) Schotter nach Igarka. Neben diesem Abschnitt wurde eine einspurige Strecke zwischen den Flüssen Tschornaja und Sucharicha angelegt. Von Igarka nach Jermakowo schüttete man an der rechten Uferseite einen Bahndamm auf. In diesem Streckenabschnitt befanden sich 6 Häftlingskolonnen.
1950 verlegte man die Verwaltung nach Jermakowo. Später bezeichnete man die kleine Siedlung bereits als Station. Aus dem Bericht an die Sitzung des Exekutivkomitees des Stadtrats vom 26. Oktober 1949 geht hervor, dass "auf dem Gebiet der Gemeinde Karasinsky am Bahnhof Jermakowo von der Bauabteilung Nord des Innenministeriums ein sehr großes Bauwerk errichtet wurde, in dessen Zusammenhang die Bevölkerung des Bahnhofs Jermakowo auf 5.000 Personen (Zivilbevölkerung) anstieg“.18 Und bereits 1950, so schrieb der Teilnehmer an der Nördlichen Expedition und Landvermesser A.A. Poboschij, «war die winzige Siedlung zu einer richtigen Stadt mit einer Bevölkerungszahl von 15000 Menschen geworden».
Nach Jermakowo zog nicht nur die Bauverwaltung um, sondern auch die
Tatarinzew-Expedition, die in Igarka eine Einheit zur Vermessung der Bahnlinie
bis nach Norilsk zurückgelassen hatte.
Zum Bau der Bahnlinie zog man nicht nur Häftlinge heran, sondern auch
freiwillige Mitarbeiter; allerdings hatten sie mit Zivilbauten und
Projektarbeiten zu tun. Mit dem eigentlichen Bau waren hauptsächlich Gefangene
befasst. Dadurch unterschied sich auch die Nördliche Bahnstrecke von vielen
Komsomolzen-Baugiganten: härteste Arbeit, Taiga-Stürme, ewiger Frost entfielen
auf das Schicksal derer, die verurteilt worden waren. Und unter diesen Menschen
gab es nicht wenige, die vollkommen unschuldig zu leiden hatten. Über das «Bau-Projekt
503» wurde in den Zeitungen geschwiegen (allerdings schrieb die Lokal-Zeitung
gelegentlich über die Heldentaten der Komsomolzen beim Nördlichen Bauprojekt).
Doch die Vorschriften für Häftlinge verboten es ihnen, Informationen über die
Baustelle preiszugeben. Die Strecke wurde in rasantem Tempo gebaut. Im August
1952 wurde der Betrieb zwischen Salechard und Nadym, 1953 – von Jermakowo bis
nach Janow Stan und von Igarka bis Jermakowo (65 km) in Betrieb genommen.
Nach dem 5. März 1953, als J.W. Stalin gestorben war, nahm das Schicksal der Bahnlinie eine jähe Wendung. Zum Oktober 1953 gab es eine Anweisung, den Unternehmen die für den Bau eingebrachte Ausrüstung zu übergeben. Es begann die Liquidierung des gigantischen Bauvorhabens hinter dem Polarkreis. Die meisten Besitzer weigerten sich, ihre Geräte zurückzunehmen - sie waren bereits in einem sehr schlechten Zustand. Nach den Angaben des technischen Archivs zu urteilen, wurde eine riesige Menge an Sachwerten einfach aufgegeben. Vor den Augen der Menschen wurden Halbmäntel aus Pelz, Filzstiefel und noch brauchbare Ausrüstung auf barbarische Weise zerstört.
Insgesamt wurden für den Bau der Bahnlinie, den Unterhalt der Lager und der Infrastruktur mehr als 42 Milliarden Rubel ausgegeben. Zur Vollendung des Bauprojekts wären, nach Berechnungen von Experten, noch 700 - 800 Milli0nen Rubel nötig gewesen, für die Liquidierung des Baus und seine Außerbetriebstellung - 600 -700 Millionen.
911 km der Strecke waren schon betriebsbereit. Doch es handelte sich um eine Strecke, die nach einem vereinfachten technischen Konzept gebaut worden war. Man hatte die Bedingungen des ewigen Frostes nicht berücksichtigt, wodurch die natürlichen Bedingungen und Abflussrinnen zerstört worden waren. Freilich wären für den Unterhalt der Strecke bei normalen Betriebsbedingungen riesige Finanzmittel nötig gewesen. Und die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen wurden nie berechnet. Was genau hätte der Betrieb einer solchen Bahnlinie, die von Hand nach vereinfachten Plänen gebaut wurde, erbracht? Die Archive schweigen darüber, und die Forscher schweigen auch.
Der Kultur- und Bildungsarbeit wurde im Gulag ein besonderer Platz eingeräumt. Es ist nicht verwunderlich, dass sie recht «freie» Formen annahm. So wurde beispielsweise aus den Reihen der Gefangenen ein Theater ins Leben gerufen («Festungstheater», wie R. Stilmark es nannte, der während der Gefangenschaft unweit von Jermakowo seinen Abenteuerroman «Der Erbe aus Kalkutta») verfasste. Die Truppe wurde aus den Lagern von Workuta verlegt (Bahnstation Abes). Das Theater gehörte zum Bestand der Kultur- und Erziehungsabteilung. In Igarka wurde die Schauspielgruppe geteilt, die Muskomödie wurde verlassen, und das Schauspielhaus wurde nach Jermakowo verlegt. Zur Truppe gehörten bekannte Regisseure, Dirigenten, Theaterkünstler, erstklassige Sänger, Schauspieler von führenden Theatern des Landes, Musiker, Paare des Unterhaltungstanzes. Unter ihnen befanden sich der Pianist Wsewolod Topilin, der erste Begleitmusiker von David Oistrach, und der Theaterkünstler Dmitrij Selenkow. In Igarka zählte die Truppe 106 Mitglieder, davon waren 102 - Gefangene. Für die Aufführungen wurde die W. Paschennaja-Bühne in der Smidowitsch-Straße angemietet. Anfang 1950 wurde das Theater geschlossen. Später wurde das Gebäude bei einem Brand vernichtet. Und alle Schauspieler schickte man zum Bau der Eisenbahnlinie.
Nach den Materialien "Bau-Projekt ¹ 503. Historische Auskunft"