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J.A. Borisenko . Medizinische Betreuung im Norilsker Besserungs- und Arbeitslager in den Jahren 1935 – 1956

Leitung N.W. Gonina

Das Studium des Strafvollzugssystems der Sowjetperiode stellt ein Problem dar, mit dem sich gegenwärtig viele Forscher beschäftigen. Aus der Geschichte des Norilsker Lagers wurde in hinreichendem Maße der wirtschaftliche Aspekt erforscht, während die soziale Seite vornehmlich nur durch Literatur in Form von Memoiren vorgestellt wird. In der Zeit, als das Norilsker Besserungs- / Arbeitslager in Betrieb war, besaß die medizinische Betreuung der Gefangenen eine ganz besondere Bedeutung. Dieses Problem ist unerforscht, wenngleich es so bedeutend ist, denn es kommt unmittelbar mit allen Sphären der Lager-Struktur in Berührung. Der Ursprung der Frage über die medizinische Betreuung liegt im Wesentlichen in Literaturquellen mit Erinnerungscharakter: es handelt sich um die Erinnerungen von A.A. Gajewskij, S.I. Rubinstein, W. Kutz und anderen. Aus der wissenschaftlichen Literatur kamen die Arbeiten von L.I. Borodkina und S. Ertz hervorheben: „Die Struktur und Stimulierung der Zwangsarbeit im GULAG: das NorilLag Ende der 1930er bis Anfang der 1950er Jahre“, in dem ein Kapitel dem Studium der Dynamik zahlenmäßiger Veränderungen unter den Häftlingen gewidmet ist.

Die territoriale Lage des Lagers drückte allen Aspekten seiner Tätigkeit seinen Stempel auf und versetzte das Norilsker Besserungs- / Arbeitslager in eine besondere Situation. Das Prinzip, das in anderen Lagern herrschte – „wenn Arbeitskraft praktisch nichts kostet, wozu soll man sich dann um die Leute kümmern“ – kann im vorliegenden Fall kaum als Rechtfertigung gelten [1, L.I. Borodkin, S. Ertz, Die Struktur und Stimulierung der Zwangsarbeit im GULAG: das NorilLag Ende der 1930er bis Anfang der 1950er Jahre // HTTPS://memorial.krsk.ru/]. Schwierige klimatische Verhältnisse, der kurze Zeitraum, in dem die Flüsse befahren werden konnten, was den Transport von Gefangenen und die Anlieferung von Lebensmitteln sehr erschwerte, der extrem hohe Bedarf an Gegenständen der Rüstungsindustrie innerhalb der Produktion des Kombinats zwangen die Lagerleitung, sich gegenüber der Haltung der Arbeitskräfte akkurater zu verhalten. Und genau deswegen war auch die medizinische Versorgung ein wichtiger Teil der Lagerstruktur.

1935 existierte das Krankenhaus auf Norilsker Territorium noch nicht, es gab lediglich ein Ambulatorium mit Apotheke in der Gornaja-Straße im Bezirk Nulevoj Piket. Erst drei Jahre später wurde in einer der Baracken der 1. Lagerabteilung ein Krankenhaus für freie Mitarbeiter organisiert. Am Stützpunkt der 2. Lagerabteilung entstand das Zentral-Krankenhaus des Lagers. 1939 stellte sich das Netz der Behandlungseinrichtungen als Krankenhaus für 22 Betten, Poliklinik und Apotheke dar. Am 14. Dezember 1939 wurde der Befehl N° 430 unterzeichnet: „Mit dem Ziel der Verbesserung der medizinischen Arbeit … und der Sicherstellung spezialisierter medizinischer Hilfe für die Gefangenen befehle ich: 1. Ein Zentralkrankenhaus mit insgesamt drei Abteilungen einzurichten – einer therapeutischen, einer chirurgischen und einer Infektionsabteilung; 2. die stationären Abteilungen des 3. und 4. Lagerpunktes sowie das Haus N° 14 in der Fabrikstraße an das Zentral-Krankenhaus zu überstellen; 3. als Leiter des Zentral-Krankenhauses die Ärztin und freie Mitarbeiterin Aleksandra Ivanovna Slepzowa zu ernennen; 4. den inhaftierten Arzt Sachar Ilitsch Rosenblum zum Ober-Ordinarius der therapeutischen Abteilung zu ernennen [2, W. Watschajewa, „… mir wurde das Los zuteil, eine Menge Beichten zu lesen …“// HTTPS://memorial.krsk.ru/memuar/Kasabova/09/04.htm]. Nach den Erinnerungen von A.I. Slepzowa übernahm sie das Krankenhaus, in dem zweireihige Pritschen für 180 Patienten vorhanden waren; darauf lagen schwer kranke, sterbende Menschen. Es gab weder Wäsche noch Medikamente und auch keine Krankenkost.. Die Kranken wurden aus der allgemeinen Lagerküche versorgt, die Krankenhaus-Mitarbeiter trugen keine Kittel, es gab keine Handtücher, keine Seife.

Aus den Erinnerungen der Ärzte des Zentralen Lager-Krankenhauses sowie des medizinischen Personals folgt, dass die Haupterkrankungen der Gefangenen völlige Erschöpfung und Schwäche, Lungenentzündung, Ruhr bei gleichzeitiger Unterernährung, Darmverschlingungen, Skorbut, Perikarditis (Herzbeutelentzündung), Endokarditis (Entzündung der Herzinnenhaut) und andere. In der zweiten Hälfte der 1940er Jahre steigt die Zahl der an Syphilis erkrankten Personen. Wie S.G. Ludwig und J.A. Kersnowskaja anmerken – war die Hauptursache für Krankheiten und Schwäche der Hunger, der die Menschen der allerletzten Kräfte und den Organismus der Fähigkeit beraubte, Infektionen abzuwehren.

Eines der großen Probleme, das vor allem in der Anfangsphase aufkam, war das Fehlen von Medikamenten und notwendigen Instrumenten. Antibiotika gab es im Krankenhaus überhaupt nicht, außerdem war es nur unzureichend mit Barium, Glukose, Morphium, Zellstoff und Spritzen versorgt; Röntgenfilme und Reagenzgläser für das Laboratorium fehlten gänzlich. Es versteht sich, dass der vorliegende Umstand bis zu einem gewissem Maße Einfluss auf die hohe Sterblichkeitsrate unter den Kranken nahm, die in der Regel in einem ernsten und äußerst vernachlässigten Zustand eingeliefert wurden.

Todes- und Invalidenfälle bei Gefangenen im Norilsker Lager ereigneten sich häufig aufgrund von Arbeitsunfällen, die ziemlich oft vorkamen. Nicht selten fügte sich ein Gefangener auch selber Verletzungen zu, in dem er sich selber Finger- oder Zehenglieder abhieb oder sich künstlich alle möglichen Erkrankungen beibrachte, um nur auf irgendeine Art und Weise ins Krankenhaus zu gelangen, wo eine dreiwöchige „gesundheitsfördernde Heilbehandlung“ ihm zumindest die Chance verschaffte, nicht an Ruhr zu sterben. Dabei wurde die absichtliche Verstümmelung von der Lagerverwaltung grausam bestraft. Wenn bewiesen werden konnte, dass die Verletzung absichtlich herbeigeführt worden war, konnten sie dem Häftling das Strafmaß wegen „Wirtschaftssabotage“ erhöhen.

Der Leiter des Kombinats – A.P. Sawenjagin – korrigierte die Situation bezüglich der Versorgung des Krankenhauses: allen Angestellten in leitenden Positionen wurde die Anweisung erteilt, den Arbeitern zu helfen und ihre Forderungen zu erfüllen. Wichtige Faktoren im vorliegenden Fall war nicht nur die Person A.P. Sawenjagins, der sich darum bemühte, die Bedingungen der Häftlingshaltung und der Arbeit der Gefangenen, aber auch das pragmatische Verständnis zu verbessern: aus der Masse der Häftlinge, die wegen konterrevolutionärer Tätigkeiten verurteilt worden waren, wählte er Leute aus, welche offensichtliche Spezialisten auf dem einen oder anderen Gebiet waren. So „zog“ er beispielsweise aus den Reihen der Kolonnenarbeiter die Ingenieure „heraus“, die einen gravierenden Beitrag zur Entwicklung des Kombinats leisteten; analog verhielt sich die Situation auch mit den Ärzten. Gerade aufgrund dieser Aktivitäten formierte sich im Norilsker Besserungs- und Arbeitslager ein sehr starker Personalbestand, wo jeder Arzt bemüht war, sich von seiner allerbesten Seite zu zeigen, um seinen Platz im Zentralen Lager-Krankenhaus zu behalten.

Außerdem wurde Anfang 1940 ein dreistöckiges Gebäude in der Fabrikstraße errichtet, welches später an das Zentrale Lager-Krankenhaus abgetreten wurde. Dort wurden die Kessel für die Zentralheizung aufgestellt, Wasserleitungen verlegt und eine Kanalisation geschaffen. Drei Hauptsektionen entstanden: in den ersten beiden Stockwerken – die Infektions- und Therapie-Abteilungen, in der dritten Etage – die chirurgische. Das klinische Laboratorium erhielt separate Räumlichkeiten; man organisierte einen Röntgenraum sowie eine Wäscherei. Auf jeder Etage gab es Badewannen und eine Dusche. Etwas später entstand beim Krankenhaus auch eine Hilfswirtschaft: ein beheiztes Gewächshaus, ein Schweinestall, Werkstätten, eine Näherei, und es gab auch einen eigenen Konferenzsaal. Es kommt nicht von ungefähr, dass J.A. Kersnowskaja das Krankenhaus eine „Oase in der Hölle“ nannte [3, S. 47]; hierher versuchten alle Häftlinge zu gelangen, die nach § 58 verurteilt worden waren und eine medizinische Ausbildung gemacht hatten, aber auch Gefangene, die sonst bei Kolonnenarbeiten beschäftigt waren und solche, die einfach nur überleben wollten.

Mit warmen Worten erinnert man sich an Anatolij Aleksandrowitsch Pyschkin: vor seiner Inhaftierung leitete er in Leningrad Kantinen, davor hatte er als Koch eines aristokratischen Yacht-Clubs gearbeitet und während des Ersten Weltkrieges – als Koch des Sanitärzuges der Gräfin Scheremetjewa. Damals, als er als Koch tätig gewesen war, hatte man jedem Kranken all die Lebensmittel gegeben, die unbedingt zu seiner „Diätkost“ gehören sollten. Die allgemeine Norm wurde an alle Kranken ausgegeben, aber daraus musste man dann auch noch unterschiedliche Diäten zaubern: die post-operative Diät bestand aus Bouillon, weißem Zwieback, gezuckerter Kondensmilch, verdünntem Wasser; die vierte Diät – dasselbe plus Gries-Brei und ein wenig Weißbrot; die siebte Diät – ungesalzen (ganz unterschiedlich, kalorienreich, aber ohne Salz, Brei und mit Zucker Überbackenes); die dreizehnte Diät – Suppe, Brei, 300 Gramm Weißbrot und 100 Gramm Schwarzbrot, Kondensmilch mit Wasser, etwas Fisch; die fünfzehnte Diä war besonders grob und wenig schmackhaft, aber dafür besonders nahrhaft (730 Gramm Schwarzbrot, gesalzener Fisch, Hafer- oder Weizenbrei). Die Mehrheit der Kranken erhielt die fünfzehnte Diät [4, S. 69].

Wenn wir über die medizinische Betreuung sprechen, lohnt es sich, einen Augenblick bei den Besonderheiten des Personalbestands am Krankenhaus zu verweilen. O. Afanasow konstatiert in seiner Arbeit über die Medizin im OserLag (1948-1963) chronische Probleme durch Personalmangel [5, S. 23]. Im NorilLag wurden die Personalschwierigkeiten ganz einfach gelöst – als Ärzte sowie jüngere Krankenhaus-Angestellte wurden dort Häftlinge eingesetzt, die nach § 58 des Strafgesetzbuches verurteilt worden waren. Die Mediziner mit Gefangenen-Status befanden sich, ungeachtet ihres hohen professionellen Niveaus, unter strenger Kontrolle seitens der Administration. Wie Sigurd Genrichowitsch Ludwig, Arzt am Zentralen Lagerkrankenhaus, bestätigt – brachte eine Wachmannschaft die Häftlinge jeden Morgen zur Arbeit in die Poliklinik und geleitete sie abends wieder zurück. Die Mehrzahl der Ärzte am Zentralen Lagerkrankenhauslasen medizinische Literatur in fremden Sprachen; in der Krankenhaus-Siedlung gab es eine gute Bibliothek, welche von den Häftlingsärzten gleichermaßen genutzt wurde. Wahrscheinlich wurde diese Art der Literatur extra angeliefert – auf Befehl der Leitung. Die führenden Ärzte teilten gern ihre hervorragenden Kenntnisse mit weniger erfahrenen Kollegen. Doktor G.A. Popow erinnerte sich daran, wie die Ärzte an einer Konferenz teilnahmen und Vorträge in Handschellen hielten [6, G. Popow. Die trübe Zeit wird wieder ein wenig belebt//HTTPS://memorial.krsk.ru/Public/80/19891230.htm].

Ab 1945 war Vera Iwanowna Grjasnewa Leiterin des Krankenhauses, die mit allen Kräften bemüht war, Ordnung in Verwaltung und Wirtschaft zu halten, und sie erhielt in ihrer Anfangszeit große Unterstützung von der Lagerverwaltung und den Ärzten selber. Unter dem jüngeren Krankenhaus-Personal herrschte folgende Meinung: in die Infektionsabteilung wurde ein Kranker eingeliefert, um zu sterben, in die Therapiesektion kam er, um gesund zu werden, und in der Chirurgie sollte ein Mensch wieder zum Leben erweckt werden. Und genau damit befasste sich W.A. Kusnezow, den man 1943 als Häftling nach Norilsk gebracht hatte, und der zu dem Zeitpunkt bereits über 28 Jahre Berufspraxis verfügte. Seine Tätigkeit wird nicht von allen gleich bewertet. Nachfahren beurteilen seine Arbeit als riesigen Beitrag, der die Chirurgie vorantrieb, auch Ärzte schätzen ihn als Spezialisten höchster Klasse, Gefangene, die unter sein Skalpell gerieten – glaubten, dass nun alles gut werden würde, wenn er die Operation durchführte. J.A. Kersnowskaja allerdings charakterisiert ihn als Menschen mit zwei Gesichtern, der phänomenale Arbeitsfähigkeiten besaß, aber nicht einmal ein Minimum an Gefühlen gegenüber den Kranken hegte. Er erledigte seine Arbeit, indem er sich von Intuition, Begeisterung, Hingabe und Interesse leiten ließ. Im Zentralen Lagerkrankenhaus bereitete W.A. Kusnezow seine Dissertation zum Thema „Operation bei Austritt des Dickdarms aus dem After“ vor, darin wurden etwa 100 Möglichkeiten für einen operativen Eingriff betrachtet. Jefrosinia Kersnowskaja war Künstlerin; sie zeichnete den gesamten Verlauf der meisten Operationen auf. Sie war auch ziemlich gut mit dem Wesentlichen vertraut und besaß ärztliche Erfahrung; sie sah, dass in vielen Fällen lebende Menschen zum Sammeln von Erfahrung bei Operationen dienten. Ging die Operation nicht erfolgreich aus, versuchte der Chirurg sich vom Patienten fernzuhalten, indem er ihn an einen anderen Arzt übergab [7, S. 99].

Eine große Anzahl Ärzte durchlief das Zentrale Lagerkrankenhaus: „Die Ärzteauswahl in den Jahren 1937 und 1938 – war sozusagen unserer goldener Fond“, sagte die Leitung dem Lager – G.A. Popow, W.J. Rodionow, A.A. Bajew, S.W. Snamenskij, I.B. Panschin, L.B. Mardna. S.I. Rosenblum. P.J. Nikischin. Letzgenannter war ein hervorragender Spezialist beim Sezieren, der vor seiner Verhaftung an der Akademie der Wissenschaften gearbeitet hatte, ein rundherum gebildeter Mann war, über den sich absolut alle einstimmig positiv äußerten. Interessant ist die Frage – auf welche Weise sich hier ein derart professioneller Bestand von Medizinern formieren konnte. Es kam vor, dass auf dem Festland Gesuche nach einem unbedingt erforderlichen Arzt dieser oder jener Fachrichtung gestellt wurden, woraufhin dann
gegen diesen Arzt eine Ermittlungsakte eingerichtet und gegen ihn Anklage erhoben wurde, und nach Ablauf einer bestimmten Zeit erhielt dann das Zentrale Lagerkrankenhaus das erforderliche Personal.

Hier gab es Lehrgänge für mittlere medizinische Mitarbeiter. Pawel Jewdokimowitsch Nikischin organisierte den Unterricht auf einem äußerst hohen Niveau. Im Zentralen Lagerkrankenhaus fand man eine verblüffende Auswahl an Personal: in der Regel handelte es sich bei allen um Häftlinge. Die Ärzte der Lagerabteilung erhielten eine inoffizielle Bescheinigung von den Ärzten des Zentralen Lagerkrankenhauses auf Grundlage der prozentualen Übereinstimmung von Diagnosen, die in der Krankengeschichte der Verstorbenen vermerkt waren und von denen Protokolle im Leichenhaus vorlagen. Gute Spezialisten wurden als Festangestellte in den Bestand des Zentralen Lagerkrankenhauses übernommen. Als Sanitäter im Leichenschauhaus arbeitete W.N. Dmochowskij, der in der Vergangenheit, bis zur Revolution, Offizier gewesen war und nach dem Lageraufenthalt Physik in den oberen Klassen der norilsker Schule unterrichtete. Krankenschwester J.A. Kersnowskaja, Agronomin und Künstlerin, konnte elf europäische Sprachen.

In der zweiten Hälfte der 1940er Jahre war das Krankenhaus gut mit vaterländischen und erbeuteten Instrumenten und Gerätschaften für sämtliche Operationsarten ausgestattet. Das physiotherapeutische Behandlungszimmer verfügte über eine elektrische Heileinrichtung: Diameter, Elektrostimulator; im Röntgenraum wurden qualitative hochwertige Aufnahmen gemacht sowie Heilbestrahlungen durchgeführt; das klinische Laboratorium lieferte qualitativ gute Resultate. Bakteriologische und chemische Analysen wurden von der sanitätsepidemischen Stelle erstellt.

Als Besonderheiten des medizinischen Dienstes kann man Angaben über den Sterblichkeitskoeffizienten im Norilsker Besserungs-/Arbeitslager im Vergleich zu anderen Besserungs-/Arbeitslagern des GULAG anführen. 1936 starben laut Information von S. Ertz [8, L.I. Borodkin, S. Ertz. Struktur und Stimulierung der Zwangsarbeit im GULAG: NorilLag, Ende der 1930er bis Anfang der 1950er Jahre // HTTPS://memorial.krsk.ru/] ungefähr 1,5% der Häftlinge, laut Zeugnissen des Leiters der Sanitäts- und Heilabteilung Tawilowskij handelte es sich um 45 Personen [9, K. Swerowskij. Menschen des NorilLag // HTTPS://memorial.krsk.ru/]. Eine ähnliche Dynamik lässt sich bis ins Jahr 1941 verfolgen; die Zahl der Sterbenden nimmt allmählich zu, übersteigt aber nicht die Schwelle von 5% - bezogen auf die Gesamtzahl. Probleme während des Krieges, als sich vor allen Dingen eine jähe Verschlechterung bei der Versorgung der Gefangenen mit Lebensmitteln und ein starkes Sinken der medizinischen und sanitären Dienste im Lager beobachten ließen, stieg die Todesrate unter den Häftlingen des GULAG in katastrophaler Weise an und blieb im NorilLag auch auf einem vergleichsweise ausgeglichenen Level. 1942 und 1943, als die Sterblichkeitsrate in allen Lagern 24,9% und 22,4% ausmachte, lag dieser Index im NorilLag um einiges niedriger – 4,2% und 7,2%. Diese Ziffern bergen einen ausgesprochen ökonomischen Aspekt in sich. Eine niedrige Todesrate unter den Gefangenen zeugt von einem entsprechend guten Zustand, an dessen Erhalt die Verwaltung natürlich interessiert war, damit sie auch alle Planaufgaben vollständig erfüllen konnte. Das besagt auch die Praxis, mit welcher der Einsatz von Häftlingen in Abhängigkeit von ihrem Gesundheitszustand geregelt wurde, wenn man die Gefangenen in Kategorien aufteilte und an entsprechende Arbeitsplätze schickte. Die Zahl der Verstorbenen im Norilsker Besserungs-/Arbeitslager im Jahre 1945 erreicht 14,9%, 1946 – 7,8% und 1947 – 5,6%. Man sollte anmerken, dass die Sterblichkeitsrate im NorilLag sich ab Mitte 1945 nicht so schnell verminderte, wie es durchschnittlich in allen Lagern der Fall war, weil von da an im NorilLag Zwangsarbeiter auftauchten. Ihr Anteil machte innerhalb des gesamten Häftlingskontingents aus: durchschnittlich im Jahre 1945 - 6%, 1946 – 18%, 1947 – 23%. Die Todesrate unter den Zwangsarbeitern im NorilLag, die gemäß Instruktionen des MWD unter verschärftem Strafvollzug gehalten wurden, eine geringere Essensration erhielten und vorzugsweise bei schweren körperlichen Arbeiten eingesetzt wurden, überstieg merklich die Sterblichkeitsrate unter den meisten anderen Gefangenen, die sich in Lagerabteilungen mit allgemeinem Vollzugssystem befanden.

Somit befand sich die medizinische Betreuung im Norilsker Lager auf einem höheren Niveau, als in den anderen Lagern. Gefangenen sowie freien Mitarbeitern wurde eine qualifizierte medizinische Hilfe garantiert. Eine dementsprechend niedrige Todesrate wurde durch die Auswahl gesunder Häftlinge beim Transport nach Norilsk gewährleistet. Eine ganz bestimmte Rolle spielten die konkreten Lebensbedingungen, in denen sich die Häftlinge während ihrer (in der Regel sehr langen) Lager-Haftzeit befanden. Davon sprechen auch die zahlreichen persönlichen Zeugenaussagen ehemaliger Gefangener des NorilLag, die anmerken, dass diese Bedingungen (die hauptsächlich die Verpflegung betrafen) im NorilLag natürlich äußerst schwierig waren, aber immerhin etwas besser, als in den meisten anderen Besserungs-/Arbeitslagern des GULAG-Systems. Angesichts der extremen klimatischen Bedingungen des Polargebiets, änderten sich die Bedingungen für die Auswahl, Ablieferung und den Unterhalt des Kontingents. Die pragmatischen Äußerungen und Schlußfolgerungen der Lagerleitung, welche die gestellten Planaufgaben unbedingt erfüllen wollte, kennzeichneten ihre Besonderheiten. Die Ärzte verfügten über die entsprechende Selbständigkeit, um das junge Personal zu unterweisen, sich in den wissenschaftlichen Arbeiten zu vervollkommnen. Die meisten von ihnen blieben in Norilsk und bildeten in den Folgejahren das Rückgrat des medizinischen Personals am Zentralen Lagerkrankenhaus.

Literaturangaben:

1. L.I. Borodkin, S. Ertz. Struktur und Stimulierung der Zwangsarbeit im GULAG: NorilLag, Ende der 1930er bis Anfang der 1950er Jahre // memorial.krsk.ru. URL: HTTPS://memorial.krsk.ru/.
2. W. Watschajewa. „….mir wurde das Los zuteil, eine Menge Beichten zu lesen …“// memorial.krsk.ru. URL: HTTPS://memorial.krsk.ru/memuar/Kasabova/09/04.htm
3. J.A. Kersnowskaja. Wie viel ist ein Mensch wert: Roman über das Erlebte in 12 Heften und 6 Bänden. Band IV. Hefte 7, 8, Moskau: Fond Kersnowskaja, „Moschaijsk Terra“ GmbH, 2001, 288 S.
4. J.A. Kersnowskaja. Wie viel ist ein Mensch wert. S. 69.
5. O.W. Afanasow. Besinderheiten der medizinischen Betreuung von Gefangenen im OserLag (1948-1963) / Lehrer, Schüler…// Materialien der regionalen wissenschaftlich-theoretischen Konferenz, gewidmet dem 90. Gebiurtstag von W.I. Dulow. Irkutsk: Staatliche Universität für Pädagogik, Irkutsk, 2003, S. 23-27.
6. G.Popow. Die trübe Zeit wird wieder ein wenig belebt // memorial.krsk.ru. URL: HTTPS://memorial.krsk.ru/Public/80/19891230.htm.
7. J.A. Kersnowskaja. Wie viel ist ein Mensch wert. S. 99.
8. L.I. Borodkin, S. Ertz. Struktur und Stimulierung der Zwangsarbeit im GULAG: NorilLag, Ende der 1930er bis Anfang der 1950er Jahre // memorial.krsk.ru URL: HTTPS://memorial.krsk.ru/.
9. K. Sberowskij. Menschen


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