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Denkmäler und Gedenkstätten für die Opfer politischer Repressionen in der Region Krasnojarsk und der Republik Chakassien

Stadt Krasnojarsk

Das Übergangslager an der Station Jenisej

Während der Entkulakisierung trafen in Krasnojarsk nach und nach Züge mit Sondersiedlern ein. Sie kamen in so großer Anzahl, dass das Durchgangsgefängnis in der Straße der Republik nicht ausreichte, um sie alle aufzunehmen. Außerdem gab es Probleme sie zum Jenisej zu transportieren – denn von der Straße der Republik bis zum Fluß ist es eine ziemlich lange Strecke. Aus diesem Grund wurden an der Stationen Jenisej und Slobino Durchgangslager errichtet. Von dort wurden die Sondersiedler und Häftlinge auf Lastkähnen gen Norden gebracht (unter anderem ab Mitte der dreißiger Jahre ins Norillag und ab Ende der vierziger Jahre zum Großbauprojekt 503) und in den Süden der Region. Die Bauernströme Anfang der dreißiger Jahre gingen in den Norden (aus dem Süden – aus Chakassiens und der Altai-Region, aus dem Westen – aus den zentralen und westlichen Bezirken der UdSSR, und aus dem Osten – aus der Baikalregion und dem Gebiet Irkutsk), aber die später in den vierziger Jahren deportierten Völker wurden bereits in der gesamten Region, unter anderem auch im Süden angesiedelt.

Und so beschreibt Walter Ruge das Durchgangslager, der seine Strafe in einem der Lager des Bauprojekts 503 verbüßte:

„Einem zivilisierten Menschen fällt es schwer zu begreifen, was so ein Durchgangslager überhaupt ist. Es stellt sich als großer brodelnder Kessel dar, in dem das Meer von Menschen von einem Ende zum anderen schwappt. Die Leute treiben Handel, stehlen, prügeln sich, trinken Schnaps, spielen mit selbstgemachten Karten, wofür sie im Karzer oder in der BUR, der Baracke mit verschärftem Regime landen. Wir, die politischen Häftlinge, wurden hier einfach nur „Frajer“ (nicht-kriminelle und daher in kriminellen Kreisen verachtungswürdige Personen; Anm. d. Übers.) genannt; wir saßen auf unseren Wäschebündeln, zitterten, hatten Angst, blickten umher. Innerhalb der ersten drei Stunden klaute mir die kriminelle Meute buchstäblich alles: Schnürschuhe zum Wechseln, den gesamten Sack mit Unterwäsche, meine bescheidene medizinische Literatur, deren Papier ich für Rauchtabak hatte verwenden wollen, den gesamten Vorrat an Zwieback, ein kleines Kissen, das mir das medzinische Personal beim Abschied in Omsk geschenkt hatte. Der großangelegte Kleiderraub geschah im Badehaus. Man mußte dort die gesamte Kleidung zur „Desinfektion“ abgeben, und als wir aus der Dampfkammer herauskamen stellte sich heraus, dass deine Klamotten „verlorengegangen“ waren. Du mußtest splitternackt dort stehenbleiben. Als Ersatz gaben sie dir irgendwelche Lumpen aus dritter Hand, und von nun an zähltest du zu den „Veruntreuern“ von Staatseigentum. Ich bekam eine wattierte Jacke, die ich auf dem nackten Körper tragen sollte, eine wattierte Hose und Halbstiefel, die mir irgendeiner der Landstreicher anstelle meiner eigenen untergeschoben hatte“.

Heute befinden sich an der Stelle des ehemaligen Durchgangslagers an der Station Jenisej die Arbeits- und Erziehungskolonien N° 6 und N° 22.


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